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Zwischen Abgrund und Heilmittel – Spiele und das Für und Wider

Was in der Antike noch schön und gut war, wurde von den intoleranten mittelalterlichen Sittenrichtern verurteilt. Zu Zeiten Platos hieß es noch

„Ede, bibe, lude – post mortem nulla voluptas“ (Essen, trinken, spielen – nach dem Tod wird es keine Freude mehr geben)

Doch die christlichen Gelehrten des Mittelalters konnten damit nichts mehr anfangen. Sie verurteilten das Spiel und stellten jedem, der den irdischen Freuden entsagte, die ewige Seligkeit des Himmelreichs in Aussicht. Sie bedienten sich aus dem Arsenal der christlichen Ideologie und fanden stets Argumente gegen das Spiel.

Bereits um das Jahr 200 brandmarkte der Kirchenvater Tertullian die sportlichen Leibesübungen, sowie andere Sportarten als teuflischen Ursprungs. Den Ringkampf betitelte er als eine satanische Kunst, welche die Angriffsart einer Schlange sei.

Der größte italienische Lyriker Francesco Petrarca äußerte sich im 14 Jhd. extrem abfällig über Gesellschaftsspiele im Freien, sowie die sogenannten Intelligenzspiele in geschlossenen Räumen. Ballspiel verurteile er, wegen des damit verbundenen Gebrülls als zweckloses und erschöpfendes Hin- und Herlaufen. Auch anderer Sport wie Ringen, Wettlaufen und Springen würde „dem Körper mehr schaden als nutzen.“ Brettspiele seien „eitel Torheit und sinnlose Zeitvergeudung“. Besonders aber geißelte er das Würfelspiel.

„Der Gewinn ist ein süßes Gift, dem Streit, Neid, Betrug, wüstes Fluchen, Raub, Aufruhr, Mord und andere Sünden auf dem Fuße folgen.“

vorago patrimonii – ein Abgrund und alles verschlingender Schlund des väterlichen Erbes

Das Buch eines Ordensbruders aus dem 15 Jahrhundert geht in eine andere Richtung. Hier werden den sündhaft verschrieenen Spielen vorteilhafte Eigenschaften abgewonnen. Der Dominikanermönch Ingold empfiehlt im Jahr 1472 Spiele als Heilmittel gegen die sieben Todsünden:

Würfelspiel gegen Geiz, Dame gegen Gefräßigkeit, Schachspiel gegen Hochmut, Kartenspiel gegen Unkeuschheit, Tanzen gegen Trägheit

Im Laufe der Zeit fanden die Behörden immer eine passende Begründung um ein Spiele-Verbot auszusprechen. Ritterliche Turniere wurden aufgrund der damit verbundenen Lebensgefahr der Teilnehmer und ihr „aufs Spiel gesetzte Seelenheil“ verboten. Ballspiele waren an Wochentage verboten, denn sie vergeudeten die Zeit des Bürgers und somit könne der Unterhalt der Familie nicht gesichert werden. Aber auch nachvollziehbare Gründe waren dabei. Als König Karl V. Frankreich regierte, wurde dieses so stark durch die Engländer bedrängt, dass er kurzerhand das Würfeln, Dame, Kegeln und Fußball spielen verbot, auf dass seine Untertanen in dieser Zeit stattdessen den Umgang mit Waffen trainieren mögen. Ähnliches setzte sein Gegenüber König Edward III. um. Dieser stellte gar unter Androhung von Gefängnis folgendes unter Strafe:

Diener und Arbeiter müssen Pfeil und Bogen bei sich haben, in deren Handhabung sie sich sonn- und feiertags üben sollen. Zugleich haben sie sich jeder Art des Ballspiels, Eisenringwerfens, Kugelstoßens, Kegeln und anderweitig ungebührlicher Spiele gänzlich zu enthalten

Vielfältig ging es in den Städten zu. Meist waren Glücksspiele verboten, doch auch Kinderspiele oder sportliche Spiele im Freien standen häufig auf der Liste. So war 1426 in Nördlingen Murmeln, Kegeln und Reifenschlagen noch erlaubt, während in Dordrecht nur das Reifenschlagen untersagt und in Nürnberg Würfel- und Murmelspiele nur nach dem Gottesdienst gestattet waren.

Noch während in der bürgerlichen Gesellschaftsschicht das Für und Wider der Spiele regional willkürlich erschien, tauchte das Spielen beim Adel in anderer Form auf. Anfang des 15. Jhd. wurden im „Ritterspiegel“ die sieben Behendigkeiten eines Ritters definiert. Hier finden sich neben den offensichtlichen kämpferischen Eigenschaften auch Ringen, Weitsprung, Schwimmen, Tauchen, Klettern sowie Tanz und Kenntnisse über Brettspiele. Auch im Regelwerk für die Erziehung von kindlichen und heranwachsenden Königen finden sich allerhand Inhalte über Intelligenz-Spiele, sportliche Leibesübungen, bis hin zu Ball- und Wurfübungen.


Wo wurde gespielt?

Nicht nur innerhalb der Familie in den eigenen vier Wänden wurde das Spielen praktiziert. Man traf sich mit Anderen außerhalb, um Abstand und Leichtigkeit in den teilweise schweren Alltag zu bekommen. In Dörfern waren vor allem die Häuser der Tuchweber, Spinnstuben, die Dorfschmiede und die Mühle beliebte Örtlichkeiten für Spieler, Tänzer und auch Trinker. Gesellig und zügellos ging es nur im Verborgenen zu, denn häufig waren Spiele unterschiedlichster Art verpönt oder unter harte Strafen gestellt. Klerus und Obrigkeit fanden immer einen Grund um Verbote auszusprechen, auch wenn sich der Bürger nur selten daran hielt. Doch schließlich hatte selbige Obrigkeit ordentliche Einnahmen, wenn sie die Büttel zum Eintreiben der Strafen losschickten und somit hatte jeder etwas vom Spiel.
Auch Weinbergbesitzer mit Schankgenehmigung waren stets ein guter Ort für Würfel- oder Kartenspiel. In deren Weinkeller ging es meist feuchtfröhlich zu.

In Städten waren die Schauplätze von allerlei Spielen sowohl auf Straßen und Marktplätzen, als auch in Schenken, Kegelbahnen und Badestuben, welche meist mit Freudenhäuser verbunden waren. Auch in Städten wurden Spiele häufig unter Strafe gestellt, da der Bürger sich auf das Wesentliche und seine Schaffenskraft konzentrieren sollte. Doch auch hier war das Verlangen nach Ablenkung durch Spiele größer als die Sorge vor empfindlichen Strafen.

Am Königshof, in Burgen und auf städtischen Jahrmärkten wurde die Spielekultur durch Hofnarren, Taschenspieler, Musiker, Puppenspieler, Komödianten und anderes fahrendes Volk erweitert und belebt.

Ausschnitt aus einem Kupferstich von J. Amman, Ende 16. Jhd.

„Wir gehen zum Puff“

Im ersten Moment hört sich das ganz schön vulgär an. Ist es aber bei genauerer Betrachtung gar nicht. „Puff“ war das Geräusch fallender Würfel des mittelalterlichen Würfelbrettspiels „Wurfzabel“. Dieses wurde überwiegend in Freudenhäusern gespielt, also ging man zum „Puff“.

Was irgendwann verschwand war das Brettspiel, was blieb war die Bezeichnung „Puff“ für das Freudenhaus.

Universitätsbibliothek Heidelberg, Große Heidelberger Liederhandschrift, Seite 262v.